Exkurs 8:

Walthers liebstes Publikum: Ein Beispiel für den Adligen in Zivil


Exkurs 8: Walthers liebstes Publikum: Ein Beispiel für den Adligen in Zivil

 

Der Adlige in ziviler Kleidung

Auch für den adligen Mann war Seide der Textilstoff für die private Kleidung bei Hof[1]. Dazu wurde ebenfalls Wolle hochgeschätzt (siehe Exkurs Adlige Frau oder Epik[2]). Der Schnitt der Männerkleidung war jenem der Frauen ähnlich. Genauso bunt und kostbar belegt[3] wurden die einzelnen Kleidungsstücke wie Übergewände, Rock und Mantel fast gleich am Körper getragen[4]. Es gab jedoch auch Unterschiede im Detail (ganz abgesehen von speziellen Kleidungsstücken wie dem Gebende: siehe Exkurs Adlige Frau)[5].

Das Gewand und der Mantel

Auch bei den Männern waren weite Gewänder zu sehen, die unten faltenreich ausliefen[6], mittig konnten sie mit einem Gürtel geschlossen werden oder einfach ungegürtet hinabfallen[7]. Darunter befand sich, wie bei den Frauen, ein weißes Hemd aus Seide oder Leinen[8]. Ebenfalls trugen sie dazu Mäntel und Fürspanne[9]. Leichte Unterschiede zeigten sich bei den Mänteln. Die Männer trugen bei den Mänteln häufig anstelle der Tasseln (siehe Exkurs Adlige Frau) Quasten als Befestigung der Mantelschnur[10].

Rasur und Haare

Wie oben beim Aussehen von Walther beschrieben, war der Adlige meist glatt rasiert, doch gab es auch Unterschiede, weil das Alter unterschiedliche Bartlängen tolerierte: der junge Adlige war glatt rasiert, jener mittleren Alters trug Kinn- oder Schnurbart und nur der ältere Herr trug einen Vollbart[11]. Die Haare waren meist schulterlang und häufig lockig, wofür hier ebenfalls wieder die Naumburger Stifterfiguren ein Beleg sein können[12]. Dazu gibt ebenfalls die Epik Indizien[13].

Die Naumburger Stifterfiguren werden hier, wie bei den Frauen, auch als Grundlage für die Rekonstruktion genommen, vor allem Graf Syzzo für die Kleidung[14]. Sie repräsentieren die höfische Mode des 13. Jahrhunderts der Wirklichkeit entsprechend[15]. Da der Minnegesang aber bevorzugt von der jüngeren Generation gehört wurde, wird für die Rekonstruktion der jüngere, adlige Mann ohne Bart bevorzugt. 

 Rekonstruktion mit Gewand

Körpergröße: 1,72 m[16], Rekonstruktion mit Gewand, Sukenie[17], Mantel mit Quasten und Schuhen[18]



[1] Bumke 2008, 178f., z.B. bei Wigalois: S. und U. Seelbach 2005: 18, 19, Tristan, Ranke/Krohn 1993, Band 2, 74,75, siehe wieder die Naumburger Stifterfiguren. Vollständig darf man aber die Naumburger Figuren nicht dem zivilen Bereich zuordnen, sie haben auch Grabgedenkfunktion: Sauerländer 1977, 191.

[2] Parzival: Lachmann/Spiewok 2008, Band 1, 286, 287, Band 2, 268, 269, 338, 339.

[3] Brüggen 1989, 100f.

[4] Sauerländer 1977b, 192, Abb. 93, 105; ein Beispiel für ein kursît beim Mann im Willehalm: Willehalm: Schröder/Brunner 2018, 118, 119 oder im Parzival: Parzival: Lachmann/Spiewok 2008, Band 1, 28, 29.

[5] In der Epik werden häufig Fälle geschildert, in denen ein Mann die Kleidung der Frau anlegt: Brüggen 1989, 114.

[6] Bumke 2008, 197f.; Iwein, Krohn 2012, 376, 377.

[7] Brüggen 1989, 102, Parzival: Lachmann/Spiewok 2008, Band 1, 286, 287, Tristan, Ranke/Krohn 1993, Band 1, 160, 161.

[8] Brüggen 1989, 100, 223f., siehe Nibelungenlied: Nibelungenlied: Grosse 2020, 284, 285.

[9] Parzival: Lachmann/Spiewok 2008, Band 1, 520, 521.

[10] Brüggen 1988, 222, 223, z.B. Naumburger Stifterfiguren, hier Syzzo: Sauerländer 1977b, 207, Abb. 105, 106, Karl 2012, 66f.

[11] Bumke 2008, 201f.; der junge Parzival ist noch bartlos: Parzival: Lachmann/Spiewok 2008, Band 1, 388, 389, 520, 521 .

[12] Auf fast allen bildlichen Darstellungen des adligen Mannes erscheint dieser mit Haaren bis zu den Schultern, häufig auch lockig, was dem männlichen Schönheitsideal entsprach: siehe z.B. Brüggen 1989, 103, 104 und sämtliche Abbildungen dort.

[13] Bartlos, längeres Haar und weißes Gewand für den Ritter im Parzival: Parzival: Lachmann/Spiewok 2008, Band 1, 112.

[14] Die Kleidung der Erstfassung: Karl 2012, 66f., 68.

[15] Es ist die Kleidung der höfischen, zivilen Welt, nicht der ritterlichen: Sauerländer 1977a, 217; Syzzo trägt die zeitgemäße Kleidung: Sauerländer 1977b, 207.

[16] Siehe dazu oben, Exkurs 1, Körpergröße bei Walther. Trotz der Verringerung der Körpergröße im Mittelalter und dem Nord-/Südgefälle konnte ein Adliger in Süddeutschland noch größer werden als der Rest der Bevölkerung: Wurm 1986, 103, 104, wobei das süddeutsche Mittelmaß auf bis zu 1,72 m im frühen Mittelalter ansteigen konnte: Wahl 2018, 162. Erst später war auch bei ihnen eine deutliche Körpergrößenabnahme sichtbar: Wurm 1986, 105, 106, Wahl 2018, 162. Es wird hier daher 1,72 m vorgeschlagen.

[17] Für die genaue Beschreibung Sukenie, siehe Exkurs Adlige Frau.

[18] Für die Schuhe wurden wieder die Funde von Weißensee als Vorbild genommen: Stolle 1992, 106f. Für den Adel waren Halbschuhe obligat, da sie den Vermögenden anzeigten, der nicht unbedingt festes Schuhwerk für die Arbeit benötigte. Sie entsprechen auch der Datierung, siehe die Halbschuhform ab 1200: Schnack 1992, 20, Taf. 23. Verschnürt werden sie seitlich an der Fußinnenseite: Schnack 1992, 78f., 84.




Zur Übersicht

© 2024 Sascha Demant