Exkurs 12: Andere Auftrittsorte als der Hof
Tavernen
Im Arbeitsgebiet Walthers gab es zu seinen Lebzeiten schon viele Tavernen, so z.B. in Schwaben[1], in seiner Heimat Österreich[2] oder in Bayern[3]. Meist bei den Märkten angesiedelt[4], waren sie eher für die Unterschicht vorgesehen[5]. Als Raum der Zusammenkunft gab es hier den Ausschank[6] und die Speisen, alles begleitet von Sängern oder Bläsern[7].
Wie schon oben gesagt (Exkurs 10, nächtliche Unterbringung) ist das Gasthaus bzw. die Herberge zur Zeit Walthers nicht unbedingt der Ort der Verpflegung. Dafür waren u.a. die Tavernen vorgesehen[8]. Deswegen wird hier in der Rekonstruktion die Taverne modelliert. Dabei stehen der Ausschank, die Verpflegung und der gemeinsame Raum im Vordergrund. Spätmittelalterliche Verhältnisse, also dass sich achtzig bis neunzig Personen zusammenfanden[9], können für Walthers Zeit noch nicht angenommen werden, doch von einer Verpflegungsmöglichkeit für mehrere Personen ist auszugehen. Dafür ist Inventar und Geschirr notwendig, das im Zusammenhang mit dem Ausschank von archäologischer Seite her nachgewiesen werden muss[10]. Erste Eindrücke liefern Abbildungen, allerdings wieder aus dem Spätmittelalter stammend. Sie zeigen z.B. Holztische mit Bänken[11], die auch für das Hochmittelalter angenommen werden können. Der Raum konnte eine Bohlendecke aufweisen[12] und der Fußboden hatte als Minimum einen Lehmestrich[13]. Fenster im Gästeraum der Wirtschaft waren beliebt[14], weil sie künstliche Leuchtmittel reduzieren halfen und damit sparsamer waren. Dennoch waren in der Dunkelheit Leuchter, Öllampen etc. unerlässlich[15]. Diese konnten als einfachere Ausführung aus Holz oder Keramik gefertigt sein, genauso wie das Tischgeschirr[16]. Wichtig waren für Getränke oder Essen aller Art die Daubenfässer[17]. Sie konnten für die Essenslagerung aufrecht stehen[18] oder liegend zum schnellen Abzapfen gelagert werden. Ihre Aufbewahrung musste nicht unbedingt im Keller stattfinden, sie konnten sich ebenfalls im Gastraum befinden[19]. Auch größere Tongefäße dienten zur Lagerung von Essen und Trinken[20]. Auf dem Tisch dominierten dann weiter die Tongefäße, insbesondere als Trinkbecher[21]. Aus den Fässern wurde in Krüge und Kannen umgefüllt, die dann auf dem Tisch standen[22]. Dort konnte sich dann auch weiteres Geschirr aus Holz befinden[23]. Noch im Spätmittelalter gab es auf den Tischen hölzerne Teller und Löffel[24]:
Rekonstruktion einer Taverne von innen, mehr Gedeck im Buch
[1] Kerntke 1987, 38f.
[2] Kerntke 1987, 41f.
[3] Peyer 1982, 283.
[4] Peyer 1982, 281.
[5] Weniger für den Adel und die Kaufleute: Peyer 1987, 80.
[6] Zum Ausschank konnten die Gäste auch noch ihre Geschäfte abwickeln: Peyer 1982, 281, 286.
[7] Ohler 2004, 170.
[8] Peyer 1982, 268, 283, Frieser 1999, 170.
[9] Nach Erasmus von Rotterdam: Ohler 2004, 173; die Größen von Tavernen schwanken von einräumigen Häusern bis zu mehrräumigen Komplexen, gruppiert um einen Hof: Peyer 1987, 85.
[10] Wehner 2015b, 16, 17; andere Einrichtungsgegenstände, wie Möbel, sind archäologisch schwer nachzuweisen: Autenrieth 2015b, 46.
[11] Autenrieth 2015b, 43-46, Frieser 1999, 172, 173, 177, 178.
[12] Siehe oben: der Festsaal des Adels.
[13] Estrich war in staufischer Zeit verbreitet: Bangerter-Paetz 2007, 157; im Spätmittelalter sind dann Wandvertäfelungen, Bohlenfußboden etc. üblich: Autenrieth 2015b, 43, 44.
[14] Vasiliadis 2015, 31; Funde von Fensterläden aus Lübeck deuten eher auf kleine Fenster hin: Mührenberg 2010, Kat. Aufruhr 1225!, 466 (Holz, Höhe 77 und 95 cm, Breite 35 und 57 cm, Tiefe 4 cm).
[15] Autenrieth 2015b, 47.
[16] Zu nennen sind hier gedrechselte geböttcherte oder geschnitzte Gefäße aus Holz, hier vor allem Daubengefäße oder gedrechselte Schalen: Berger/Krischke 2015, 52, Wunschel 2018, 78f., ausgeführt im Buch.
[17] Für die Lagerung von Bier und Wein: Wunschel 2018, 83, 84, Abb. 4.
[18] Berger/Krischke 2015, 52.
[19] Berger 2015, 79.
[20] Berger/Krischke 2015, 54; siehe wieder Funde von Weißensee: Kugelkanne mit Tülle und randständigen Bandehenkel (Lohmann/Stolle 1998, 113); häufig und über einen langen Zeitraum zu finden ist die Pingsdorfer Ware. Es dominieren dort die Amphoren = bauchige Gefäße mit Standvorrichtung, Röhrentülle und Bandhenkel. Kennzeichnend für die Pingsdorfer Ware ist ihre Bemalung. Es können Streifenbündel, u-förmige Bogen, Tupfen, Häkchen und vor allem Girlanden auftreten: Sanke 2001, 316-323, 331-332, Abb. 9, 10, 11, 12.
[21] Glas als Becher wird erst im Spätmittelalter/Neuzeit gebräuchlich: siehe Jürgens/Rinser/Wehner 2015, 71f. Sonst sind Becher aus Keramik die Massenware: Jürgens/Rinser/Wehner 2015, 75; z.B. Fund aus Siegburg (Becher, Pingsdorfer Art, um 1200, gelblich-hellsandfarbene Tonmasse, Höhe 12 cm): Katalog, Die Zeit der Staufer, Abb. 144, 225. Becher sind nach den Amphoren die zweite häufig zu findende Art der Pingsdorfer Ware, vor allem als Schankgefäße: Sanke 2001, 323- 325, 331-333. Ab der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts tauchen dann die ersten Walzenbecher auf und die Produktion in Siegburg: Sanke 2001, 332-333, Roehmer 2014, 22-23. Der Walzenbecher wurde im gesamten 13. Jahrhundert in Siegburg hergestellt: Roehmer 2014, 23.
[22] Berger 2015, 85-87; siehe Albrecht Dürer, Die Hochzeit von Kana; im 13. Jahrhundert beginnt dann auch die Produktion von Faststeinzeug: Sanke 2001, 334, 427. Aus Siegburg stammend gelangte es auch gleich in den Fernhandel (Roehmer2014, 16). Kennzeichnend waren Krüge (Roehmer 2014, 20, 21).
[23] Z.B. Daubenschalen (Durchmesser von 9,5 bis 17 cm): Katalog, Die Zeit der Staufer, Abb. 132, 198, 199 oder gedrechselte Schalen (Fund von Weißensee, Runneburg, Holz, Durchmesser 18,7 cm, Boden 7,8 cm, Höhe 4,2 cm): Stolle 2010, Kat. Aufruhr 1225!, 487, 488.
[24] Frieser 1999, 177, 178, für mehr Tischgeschirr siehe in den Anmerkungen beschriebenes Geschirr (Rekonstruktionen im Buch).